«Wir werden von Robotern enorm profitieren können»
Ob in Pflegeheimen, Bibliotheken oder am Empfang einer Firma. Roboter werden uns in den nächsten Jahren vermehrt begegnen – davon ist Hartmut Schulze, Leiter des Instituts für Kooperationsforschung und -entwicklung der Fachhochschule Nordwestschweiz überzeugt.
Werden uns Roboter wie im Film Terminator in Zukunft auslöschen? Unsere Arbeitsplätze stehlen? Oder werden sie zu unverzichtbaren Helfern im Alltag? Dass Roboter uns mal vernichten werden, das glaubt Hartmut Schulze, Leiter des Instituts für Kooperationsforschung und -entwicklung der Fachhochschule Nordwestschweiz, nicht. Allerdings können sie uns in verschiedenen Bereichen unterstützen und entlasten. Schon heute untersucht Schulze mit seinem Team am Institut, welches Potenzial sogenannte soziale Roboter haben. Also Roboter, die mit Menschen interagieren und zum Beispiel in Pflegeheimen oder in öffentlichen Institutionen helfen.
Herr Schulze, Sie forschen an sozialen Roboter. Kann eine Maschine überhaupt sozial sein?
Nein, ein Roboter kann nicht von sich aus sozial sein, dies ist aus psychologischer Perspektive Lebewesen vorbehalten. Mit sozial meinen wir, dass er erkennt, wenn ein Mensch ihn anspricht und er darauf reagieren kann.
Hartmut Schulze
Leiter des Instituts für Kooperationsforschung und
-entwicklung der Fachhochschule Nordwestschweiz.
Welchen Eigenschaften macht einen Roboter menschenähnlich?
Die Einschätzung eines Roboters als «menschenähnlich» geht vor allem auf zwei Faktoren zurück: einmal auf die Gestalt des Roboters, die maschinen-, tier- oder eben menschenähnlich sein kann. Und dann spielt das Interaktionsverhalten des Roboters eine wichtige Rolle. Handelt es sich um eine menschliche Stimme oder um eine künstliche? Auch die Verwendung einer emotionaleren Sprache und insbesondere das situative Eingehen auf die Antworten des Menschen können dazu beitragen, dass der Roboter menschenähnlicher wahrgenommen wird.
In welchen Situationen können solche Roboter eingesetzt werden?
In sozialen Institutionen, etwa in Alters- und Pflegeheimen. Oder auch am Empfang einer Firma. Bereits heute kommen solche Roboter in unseren FHNW Bibliotheken in Brugg-Windisch und in Muttenz zum Einsatz. Sie heissen Auxilio und Pepper und wissen stets, wo sich welches Buch befindet. Sie nennen die Uhrzeit und informieren die Besucher, wenn die Bibliothek schliesst. Momentan geben sie Hinweise, wie man sich während der Corona-Pandemie verhalten sollte.
Welchen Beitrag kann ein Roboter in Alters- und Pflegeheimen leisten?
Zum Beispiel die Post verteilen, auf Rundgängen die Bewohnenden unterhalten, sie fragen, ob sie die Medikamente genommen haben – und wenn das nicht der Fall ist, die Pflege darüber informieren. Sie können auch Kontakte herstellen zwischen Bewohnenden und ihren Angehörigen.
Sollten wir nicht vorsichtig sein, solche Dinge an Maschinen auszulagern? Geht da nicht der tatsächliche soziale Kontakt verloren?
Natürlich sollten wir gerade in Pflegeheimen nicht alles den Robotern überlassen. Es sollte eine Kooperation sein. Eine Pflegeperson kann sich zum Beispiel nicht acht Stunden lang um einen Bewohner kümmern. Hier kann der Roboter einspringen und mit den Bewohnern ein einfaches Gespräch führen oder ein Spiel mit ihm oder ihr machen. Wenn der Roboter richtig eingesetzt wird, in dem er einfache und repetitive Arbeiten übernimmt, kann sich das Pflegepersonal in der frei gewordenen Zeit viel gezielter um die Bewohnerinnen und Bewohnern kümmern.
Wie können Unternehmen von sozialen Robotern profitieren?
Indem sie in Teams integriert werden. Zum Beispiel in das Team der Rezeptionistinnen und Rezeptionisten in einem Hotel oder in das Team der einer Bibliothek. In beiden Fällen konnten wir mit den Mitarbeitenden gemeinsam festlegen, welche Aufgaben der Roboter und welche sie selbst übernehmen wollen. Dies hat dann zu einer guten Akzeptanz geführt.
Was kann ein Roboter besser als ein Mensch?
Sie haben deutlich mehr so etwas wie Geduld. Sie können einfache Sachverhalte immer und immer wieder mit höchster Präzision ausführen oder erläutern, ohne die Konzentration zu verlieren. Dies kann zum Beispiel beim Onboarding neuer Mitarbeitender oder aber in Schulungen zum Erlernen standardisierter Operationen sehr nützlich sein.
Was können Menschen besser als Roboter?
Menschen können sich rasch und sensibel an neue Situationen anpassen und aufgrund ihrer Erfahrung dem Kontext entsprechend mit Einfühlungsvermögen agieren. Sie sind empathischer und kreativer. Auch wenn man versucht, Robotern Kreativität beizubringen, glaube ich nicht, dass sie je unser Level erreichen werden. Zumindest nicht mit unserer spezifisch menschlichen Art und Weise.
Dann müssen wir also keine Angst haben, dass Roboter unsere Jobs wegschnappen werden?
Es kommt auf den Bereich an. In der Industrie haben Roboter schon viele Funktionen übernommen, die vorher noch Menschen ausführten. In vielen Fällen ist das auch gut so, da diese Jobs entweder gefährlich oder sehr monoton sind. Im sozialen Bereich werden sie meiner Meinung nach nicht ersetzen, sondern ergänzen. Wir werden in den nächsten 10 Jahren deutlich mehr Roboter sehen, davon bin ich überzeugt. Und wir werden von ihnen enorm profitieren können.
Welche ethischen Fragen stellen sich beim Einsatz von Robotern?
Ob er zum Beispiel einem Altersheimbewohner Emotionen vorspielen darf, indem er ihm sagt, dass er sich freut, ihn zu sehen. Und wenn sich der Bewohner lieber mit dem Roboter unterhält als mit Menschen muss der Roboter ihn darauf hinweisen, dass er nur eine Maschine ist? Es können grundsätzlich auch Abhängigkeiten entstehen. Hier muss man sich fragen, wie mit denen umzugehen ist.
Was ist die grösste Herausforderung beim Einsatz von Roboter?
Ihm neue Dinge beizubringen. Wenn er immer nur das Gleiche kann, dann verliert er mit der Zeit an Nützlichkeit und Akzeptanz. Man muss ihm neue Fähigkeiten einprogrammieren, ihn lernen lassen. Das ist aufwendig und auch teuer. Hier liegt aber auch die Zukunft der Roboter.
Dann glauben Sie also nicht, dass Roboter wie im Film Terminator uns in Zukunft vernichten werden?
Erst mal nicht. Aber die Entwicklung von Robotern im militärischen Bereich beobachte ich sehr kritisch. Doch man darf nicht vergessen, dass den Robotern immer ein Ziel einprogrammiert werden muss. Dass sie plötzlich wie in den Filmen anfangen, sich selber Ziele zu suchen, davor habe ich erst mal keine Angst. Aber wir müssen diejenigen demokratisch kontrollieren können, die eben über die Ziele und Einsatzszenarien entscheiden.