Stellenmeldepflicht – auch eine digitale Herausforderung
Im Zusammenhang mit der Einführung der Stellenmeldepflicht befürchteten viele KMU einen erheblichen Mehraufwand. Der Einsatz digitaler Werkzeuge soll diesen so gering wie möglich halten.
Seit dem 1. Juli gilt in Berufen mit mehr als 8% Arbeitslosigkeit die Stellenmeldepflicht. Konkret bedeutet dies, dass betroffene Jobs dem Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) zu melden sind, bevor sie öffentlich ausgeschrieben werden dürfen. Erst fünf Arbeitstage nach der Publikation im «Job-Room» des RAV dürfen die Stellen beispielsweise auf der firmeneigenen Website oder auf den gängigen Online-Portalen veröffentlicht werden. Wir hatten Gelegenheit, mit dem zuständigen Projektleiter beim SECO, Mauro Tomeo, über die digitale Umsetzung dieses anspruchsvollen Prozesses zu sprechen.
Wo lagen bei der elektronischen Umsetzung der Stellenmeldepflicht die grössten Herausforderungen?
M. Tomeo: Bei der technischen Umsetzung waren wir mit der Herausforderung konfrontiert, dass neben dem öffentlichen Job-Room auch das interne Informationssystem der Arbeitsvermittlung AVAM den neuen Anforderungen gerecht werden musste. Das AVAM ist ein sehr komplexes System zur Fallführung und Dossierbearbeitung, das hohe datenschutzrechtliche Standards einhalten muss, da auf diesem System unter anderem die Personendaten der Stellensuchenden vermerkt sind. Änderungen am AVAM müssen daher genau geplant werden. Neben den technischen Anpassungen an den IT-Systemen war die grösste Herausforderung, innerhalb der kurzen Zeitspanne alle Anspruchsgruppen wie RAV, Stellensuchende und Arbeitgebende abzuholen, aus den Bedarfserhebungen die zentralen Anforderungen zu definieren und diese innerhalb der gesetzlichen Rahmenbedingungen umzusetzen.
Wie halten Sie den Aufwand für Unternehmen möglichst gering?
Den administrativen Aufwand für die betroffenen Unternehmen so gering wie möglich zu halten, ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine Umsetzung, die auch in der Wirtschaft auf Akzeptanz stösst.
Bei der Umsetzung der Stellenmeldepflicht wurde insbesondere festgelegt, dass Unternehmen frei sind, den Rekrutierungsprozess aufgrund der Stellenmeldepflicht wie gewohnt zu gestalten. Sie bestimmen also beispielsweise selbst, über welchen Kanal Bewerbungen im Unternehmen eintreffen, oder welche Kandidaten und Kandidatinnen sie aus welchen Gründen für geeignet halten. Die Beratenden in den Regionalen Arbeitsvermittlungszentren unterstützen die Arbeitgebenden bei Fragen zur Zusammenarbeit mit der öffentlichen Arbeitsvermittlung. Die neue Pflicht hat auch zur Folge, dass die RAV ihre Dienstleistungen stärker auf die Arbeitgebenden und die Vermittlung ausrichten.
Können Sie uns schildern, was technisch betrachtet passiert, wenn eine offene Stelle gemeldet wird?
Die Stelle wird von einem Arbeitgebenden einfach und schnell gemeldet – online im Job-Room, telefonisch oder persönlich – und gelangt nach der Meldung ins Informationssystem der Arbeitsvermittlung (AVAM). Die zuständige Fachperson des RAV überprüft die Korrektheit der Angaben und nimmt bei allfälligen Rückfragen mit dem Arbeitgebenden Kontakt auf. Bestehen keine offenen Fragen mehr, validiert der RAV-Beratende die Stelle, woraufhin sie im Job-Room publiziert wird. Untersteht die Ausschreibung der Stellenmeldepflicht, gelangt sie zunächst für fünf Arbeitstage in einen nur für registrierte Stellensuchende zugänglichen Bereich. Ist die Stelle nicht meldepflichtig, wird sie direkt öffentlich publiziert. Auf dem Job-Room kommen dadurch Angebot und Nachfrage zusammen, womit die Transparenz auf dem Arbeitsmarkt sichergestellt wird. Ergänzend erhalten die Arbeitgebenden Vermittlungsvorschläge vom RAV.
RAV-Berater können den ausschreibenden Unternehmen stellensuchende Personen vorschlagen. Hier besteht also ein gewisser Zeitdruck – ist auch dieser Vorgang automatisiert? Wie sieht die Lösung aus?
Das Matching zwischen offener Stelle und geeignetem Stellensuchenden wird zwar technisch unterstützt, erfolgt jedoch nicht völlig automatisiert. Die RAV-Beratenden kennen sowohl die Stellensuchenden als auch die Arbeitgebenden und sind Experten des lokalen Arbeitsmarktes. Wir erachten eine menschliche Komponente in diesem Prozess für sinnvoll. Mit dem Projekt «kompetenzbasiertes Matching» soll die technische Unterstützung beim Matching jedoch durch ein neues Tool noch verstärkt werden. So soll durch dieses Tool eine breitere und genauere Datenbasis für das Matching herangezogen werden und dieses Tool auch den Arbeitgebenden zur Verfügung gestellt werden.
Das zentrale Element für alle Stakeholder ist der bereits erwähnte Job-Room auf arbeit.swiss. Handelt es sich dabei um eine komplett neue Lösung? Welche Funktionen deckt der Job-Room ab?
Der Job-Room existiert bereits seit mehr als zehn Jahren. Seit Januar 2018 tritt er jedoch in einem modernen Design und mit benutzerfreundlichen Funktionen auf. Zudem erfüllt er seit dem 1. Juli 2018 die Anforderungen der Stellenmeldepflicht. Die zentrale Anlaufstelle für alle Stakeholder stellt das Informationsportal arbeit.swiss dar, in welches der Job-Room eingebettet ist. Arbeitgebende können im Job-Room Stellen melden und Kandidaten suchen. Nach dem Einrichten des Arbeitgebenden-Logins werden ausserdem sämtliche Stellenmeldungen mit dem eigenen Konto verknüpft, damit man den Überblick über die Ausschreibungen behält und nicht mehr aktuelle Ausschreibungen abmelden kann. Mit dem Arbeitgebenden-Login können geeignete Kandidaten ausserdem direkt kontaktiert werden. Die Kandidaten werden im Job-Room dabei anonym publiziert, für Arbeitgebende sind die Namen der Stellensuchenden also nicht ersichtlich. In diesem Punkt unterscheidet sich das Login für Arbeitgebende vom Login für private Stellenvermittler, die auch die Namen der Stellensuchenden einsehen können, sofern die Stellensuchenden dafür ihr Einverständnis gegeben haben.
Für die Unternehmen ist der Prozess der Stellenmeldepflicht komplett digitalisiert - kann man das so sagen? Und gilt das auch für stellensuchende Personen?
Das ist richtig, die gesetzlichen Anforderungen der Stellenmeldepflicht wurden komplett in den digitalen Services der öffentlichen Arbeitsvermittlung integriert. Der Prozess der Stellenmeldung kann komplett digital erfolgen, muss jedoch nicht. Als Dienstleistung für Arbeitgebende, die den persönlichen Kontakt mit dem RAV schätzen, existiert nach wie vor die Möglichkeit, Stellen telefonisch oder persönlich zu melden. Für Stellensuchende ändert die Stellenmeldepflicht insofern nichts, als der Prozess der Stellensuche noch immer gleich abläuft wie vor der Stellenmeldepflicht. Neu besteht für registrierte Stellensuchende die Möglichkeit , ein Job-Room-Login einzurichten um privilegierten Zugang zu meldepflichtigen Stellen zu erhalten. Allgemein leisten digitale Dienstleistungen einen wesentlichen Beitrag zur effizienten und schlanken Abwicklung von Prozessen. Mit der elektronischen Umsetzung der Stellenmeldepflicht wurde ein erster Grundstein gelegt für weitere Online-Services sowie eine kontinuierliche Weiterentwicklung der Digitalisierung der öffentlichen Arbeitsvermittlung sowohl für Arbeitgebende als auch für Stellensuchende.
Welche Erfahrungen haben Sie in den ersten Wochen des laufenden Betriebs gemacht? Gibt es bereits Feedbacks von RAV-Mitarbeitern oder aus den Unternehmen?
Die Einführung der Stellenmeldepflicht war erfolgreich. Die über das Portal arbeit.swiss angebotenen Online-Services werden rege genutzt. Die im Vorfeld kritisierten IT-Systeme laufen stabil. Kleinere Fehlerkorrekturen und Optimierungen können bei Bedarf im laufenden Betrieb erfolgen. Das SECO hat bei der Umsetzung der Stellenmeldepflicht grossen Wert auf den Einbezug der Kantone und der Wirtschaftsverbände gelegt, von diesem proaktiven Vorgehen können wir nun profitieren. Bei der Bewältigung Herausforderungen, mit denen wir in dieser Anfangsphase noch konfrontiert sind, stossen wir bei den Arbeitgebenden auf Verständnis und die Rückmeldungen bekräftigen uns in unserem Bestreben, nicht nur die Rahmenbedingungen zur Erfüllung einer gesetzlichen Anforderung zu schaffen, sondern einen echten Mehrwert für sämtliche Anspruchsgruppen zu schaffen.
Herr Tomeo, herzlichen Dank für dieses Gespräch!
Digital Project
Das Basler Software-Unternehmen Marseco hat eine automatisierte Lösung für die Meldung offener Stellen entwickelt. Dabei wurden sie als Digital Project im Rahmen der Initiative «Are you digital?» durch die Handelskammer beider Basel unterstützt.