Ist Ihr Unternehmen künstlich intelligent
Die künstliche Intelligenz hat grosse Auswirkungen auf unsere Wirtschaft, von denen wir gerade erst die Anfänge sehen. Wo stehen wir aktuell und was dürfen wir ins absehbarer Zeit noch erwarten?
Vergangene Woche war aus Deutschland zu vernehmen, die Bundesregierung wolle das Land zu einem «weltweit führenden Standort für künstliche Intelligenz» machen. Oder zumindest die Voraussetzungen dafür schaffen. Dieses Ziel muss man selbst bei sehr wohlwollender Betrachtung als ehrgeizig bezeichnen: Europa nimmt bei der Weiterentwicklung der künstlichen Intelligenz (KI) derzeit alles andere als eine Vorreiterrolle ein. Auch in der Schweiz besteht Aufholbedarf, wie Prof. Jana Köhler von der Hochschule Luzern in diesem Interview darlegt.
KI: Big Data als zentraler Faktor
Bei den deutschen Bemühungen soll der Zugang zu grossen Datenmengen eine entscheide Rolle spielen. Dies mag auf den ersten Blick Bedenken im Hinblick auf den Datenschutz auslösen. Doch geht es in diesem Fall tatsächlich nicht um persönliche Daten, sondern um Vergleichswerte. Denn diese spielen bei der Weiterentwicklung der künstlichen Intelligenz eine wesentliche Rolle. Dies lässt sich schön am Beispiel der automatischen Übersetzungsprogramme erläutern. Sicher erinnern sich manche von uns noch an die ersten Exemplare dieser Gattung, welche mit einzelnen Wörtern und Standard-Phrasen halbwegs gut zurecht kamen, doch schon mit kleineren Sätzchen überfordert waren. Wer in letzter Zeit Dienste wie Google Translate verwendet hat, weiss, dass die Technik einen grossen Schritt nach vorne gemacht hat. Dies liegt vor allem an einem Umdenken der Architekten. Vereinfacht ausgedrückt: Früher versuchte eine Software, jeden Satz Wort für Wort zu übersetzen. So geriet es bei Wörtern mit mehreren Bedeutungen zum reinen Glücksspiel, ob die richtige Übersetzung gewählt wurde. Heute wird geprüft: Welche anderen Wörter kommen in dem Satz vor? Anschliessend erfolgt ein Abgleich: Welche Bedeutung hat das fragliche Wort in diesem Zusammenhang üblicherweise? Eben für dieses «üblicherweise» werden Vergleichswerte benötigt, in Form von Datensätzen, die in mehreren Sprachen vorliegen. Es liegt auf der Hand, dass es sich eher beispielsweise um Publikationen der UN als um schützenswerte private Daten handelt. Was natürlich unter dem Strich nichts daran ändert, dass dem Schutz der Privatsphäre im Zusammenhang mit der KI ein hoher Stellenwert eingeräumt werden muss.
Neuronale Netze ermöglichen maschinelles Lernen
Die Entwicklung der künstlichen Intelligenz hat auch in anderen Bereichen grosse Fortschritte gemacht. Besonders hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang so genannte neuronale Netzwerke, die Systeme lernfähig machen. Wie weit die Möglichkeiten bereits gediehen sind, führte uns vor rund zwei Jahren das Programm AlphaGo vor Augen. Die Software beherrscht das japanische Brettspiel «Go» – und sie wird dank gleich zweier neuronaler Netze immer besser darin. Bis vor nicht allzu langer Zeit galt es als unmöglich, ein Programm zu entwickeln, das mit guten Go-Spielern mithalten konnte. Dies lag zum einen an der reinen Anzahl möglicher Stellungen, die selbst diejenige beim Schach in den Schatten stellt. Zum anderen sind die Stellungen deutlich schwieriger zu bewerten als im Schach. Genau diese beiden Probleme bekam AlphaGo mit seiner Lernfähigkeit (und einer zugegeben gigantischen Rechenpower) in den Griff. Es besiegte den südkoreanischen Go-Star Lee Sedol im März 2016 deutlich. Ein Erfolg, den viele für undenkbar gehalten hatten.
Künstliche Intelligenz: quo vadis?
Die genannten Beispiele zeigen auf, welche Entwicklung die künstliche Intelligenz in den letzten Jahren gemacht hat. Es stellt sich die Frage: Wie können Unternehmen diese neuen Potenziale für sich nutzbar machen? Ein halbwegs brauchbares Übersetzungsprogramm stellt sicher ein nützliches Hilfsmittel dar, doch neue Geschäftsmöglichkeiten werden sich daraus vorerst in den wenigsten Fällen ableiten lassen. Anders präsentiert sich die Situation im Hinblick auf Systeme wie Alexa, Siri und Co. Smarte Helfer können mittlerweile ganze Häuser automatisieren oder andere Aufgaben übernehmen und erlauben die Entwicklung von Add-ons oder physischen Produkten, die mit ihnen verbunden werden können. Die Suva wiederum setzt künstliche Intelligenz ein, um Versicherungsbetrüger auszuspüren, während die Postfinance Kunden von einem Chatbot beraten lässt. (Mit diesen selbstständig antwortenden Programmen werden wir uns in den kommenden Wochen in einem eigenen Artikel detaillierter befassen.) Im Grunde befinden wir bei der künstlichen Intelligenz an einem ähnlichen Punkt wie bei der Digitalisierung allgemein: Die Potenziale sind riesig, doch bisher nützen wir nur einen Bruchteil - häufig aufgrund fehlender technischer Möglichkeiten oder vorhandener Strukturen. Was gleichzeitig auch bedeutet: In den kommenden Jahren werden sich für Unternehmen aller Grössenordnungen zahlreiche grosse und kleine Chancen auftun. Wir freuen uns schon jetzt darauf zu erleben, wie diese umgesetzt werden.