«Der Gaming-Bereich bietet grosses Potenzial für uns als Wetterdienstleister»

Der Wetterdienstleister meteoblue aus Basel errechnet präzise Meteo-Daten in der ganzen Welt. Nun lieferte das Unternehmen die Wetterdaten für den neuen Microsoft Flight Simulator – und landete damit einen marketingtechnischen Coup.

Von Andreas Maeder

Dr. Karl Gutbrod, während wir sprechen, zieht ein kleines Sommergewitter über die Stadt. Liege ich richtig in der Annahme, dass Ihnen das gefällt? 
(Lacht) Absolut. Mein Motto lautet: Lieber ein Sturm als gar kein Wind! Wechselhaftes Wetter ist am schönsten. 

Über die Abkühlung freuen sich bestimmt viele. In den letzten Wochen haben wir häufig geschwitzt. 
So ist es. Vor allem Städte haben immer häufiger mit heissen Sommertagen und Tropennächten zu kämpfen. Die Durchschnittstemperaturen sind in den letzten 30 Jahren um fast 2 Grad gestiegen. Fakt ist aber auch, dass die Temperaturen lokal häufig ganz unterschiedlich sind. 

Warum ist das so? 
Städte heizen sich besonders im Sommer stärker auf – das bringt mehr Hitze und Unwetter. Aufgrund des Klimawandels nehmen diese klimatischen Unterschiede weiter zu. 

Deshalb haben Sie die ein städtisches Klimaüberwachungssystem lanciert? 
Genau. Mit unserem neuen Stadtklimamodel «City Climate» können Sie nun auch kleinräumige Temperaturunterschiede erkennen. Die City Climate Karte zeigt aktuelle stündliche Temperatur- und Niederschlagsdaten an mehr als 100 Punkten in den Pilot-Städten Basel und Zürich. Daraus berechnen wir nun das Wetter «an der Haustür». Dies schafft eine zuverlässige Informationsbasis für Stadtplaner, Entscheidungsträger und die Einwohner.

Entdecken Sie die City Climate Karte der Stadt Basel von meteoblue: https://www.meteoblue.com/de/products/cityclimate/basel

City Climate ist ein Beispiel für die Innovationsfreudigkeit Ihres Unternehmens. Ist meteoblue auch deshalb in über 50 Ländern präsent? 
Wir sind heute das exportstärkste Schweizer Wetterunternehmen. Anders ginge es auch nicht: Der Schweizer Markt ist zu klein. Wachstum kommt, wenn man überlegene Produkte im Angebot hat. In unserem Fall: Wir können mehr Wetter schneller rechnen. 

Wie präzise sind Ihre Vorhersagen? 
Um unsere Prognosen ständig zu verbessern, verknüpfen wir viele Modelle und Messdaten von zig Tausenden Wetterstationen. Dank des engen Rechen-Rasters lassen sich auch für gebirgige Landschaften und lokale Ereignisse wie Föhn, Gewitter, und Meer-Land Winde präzise Angaben machen. Damit können wir stündliche Temperaturen für morgen mit weniger als 1,5°C Fehler vorhersagen – das hat bisher kein anderer Wetteranbieter nachweislich geschafft. Auch bei der Vorhersage von Niederschlägen sind wir führend. Einzigartig ist zudem unser Wetterdatenarchiv. 

Screenshots des Produktes history+. https://www.meteoblue.com/de/historyplus

Welche Möglichkeiten bietet dieses Archiv? 
history+ bietet lückenlose stündliche Wetterdaten und Bilder für jeden Ort der Welt, von 1985 bis heute – und das innert von Sekunden. Dadurch können sie mit einem Klick herausfinden, wie das Wetter an Weihnachten 1980 war.

Das klingt nach gewaltigen Datenmengen. Wo und wie speichern Sie Ihre Daten? 
Wir lagern unser Rechenzentrum der IWB in Basel. Dank gesichertem Zugang und einem optimalen Anschluss an nationale und internationale Datennetze sind unsere Daten und Anwendungen dort jederzeit gesichert und schnellstmöglich verfügbar. 

Warum haben Sie sich dazu entschieden, Ihre Daten in Basel zu lagern? 
Ein weltweit führendes Wetterrechenzentrum ist «Eigenbau». Das kann man nicht in der Cloud kaufen, sondern muss es selbst aufbauen. Dafür steigen unsere Fachleute regelmässig in das Rechenzentrum, um das System auszubauen oder Teile auszutauschen. Anders gesagt: ein Formel-1 Auto übergeben Sie auch nicht einer anderen Werkstatt.

In diesen Tagen erschien der neue Microsoft Flight Simulator. meteoblue durfte die Wetterdaten für die weltbekannte Flugsimulation liefern. Wie kam es dazu?  
Wir hatten Glück: Microsoft kam infolge einer Weiterempfehlung auf uns zu. Wir konnten genau das liefern, was sie für ihr Spiel brauchten – und sogar noch ein bisschen mehr.

Nämlich? 
Microsoft Flight Simulator 2020 ermöglicht virtuellen Piloten einzigartige Flugimpressionen, mit nahezu wirklichkeitsgetreuen Wetterbedingungen in einzigartiger visueller Darstellung. Das erfordert besonders detaillierte und präzise Wetterdaten. Die Informationen zu den Wolkenschichtungen, Windströmungen, der Null-Grad-Grenze und weiteren Daten stammen aus den Modellen von meteoblue. 

Welche Herausforderungen waren mit diesem Projekt verbunden? 
Aus Sicht der technischen Umsetzung war das Projekt für uns eher einfach: Masse, Detail und Genauigkeit sind ja unsere Spezialität. Die grösste Herausforderung war, kurzfristig zu reagieren. Manchmal mussten wir quasi über Nacht Anpassungen liefern – aber unser Team hat das toll gemacht. 

Konnten Sie das «Flight Simulator»-Projekt mit Ihren eigenen Mitarbeitenden stemmen, oder waren Sie auf externe Unterstützung angewiesen? 
Wir konnten das mit unseren Spezialisten gut machen. Dafür bauen wir seit 13 Jahren einen eigenen Stamm von nun rund 30 Mitarbeitende auf.

In einem Video erklärt meteoblue Mitgründer Dr. Mathias D. Müller, wie meteoblue die Vorhersagen erstellt, mit denen solche realistischen Szenen ermöglicht werden. Der Clip, der auf der Youtube-Seite von Microsoft veröffentlicht wurde, zählt fast 200'000 Klicks. 

Dieses Video war fast die grösste Herausforderung für uns (lacht). Unsere eigentliche Stärke ist Wetter, nicht Videos. Aber ja: Das Video scheint gut anzukommen und die Leute freuen sich offensichtlich mordsmässig auf das Spiel. Microsoft versteht es wirklich sehr gut, die Gamer «gluschtig» zu machen. Das gelingt sonst nur ganz wenigen Firmen.  

Wie gefällt Ihnen persönlich das Spiel? 
Ich hatte bisher keine Zeit, den Flight Simulator zu testen. Die technische Leistung, die dahinter steckt finde ich jedoch sensationell. Normalerweise sehen wir unsere Daten ja nur in Form von Diagrammen, Modellen und Karten. Die beeindruckend realistische Darstellung, mit der das Wetter im neuen Flight Simulator dargestellt wird, ist einzigartig. Ich sehe Potenzial in dieser Technologie – dies nicht nur im Gamingbereich, sondern zum Beispiel auch bei der Pilotenschulung. Mehr Informationen

Hat sich für Ihr Unternehmen durch diesen Auftrag etwas verändert? 
Wir spüren etwas mehr Aufmerksamkeit – und auch die Zugriffe auf unsere Website steigen. 

Bleibt der Ausflug in die Gaming-Welt eine einmalige Sache, oder könnte das Thema für meteoblue in Zukunft noch an Bedeutung gewinnen? 
Das Potenzial in der Gaming-Branche ist gross! Ich denke an Autorennspiele, Adventure-Games, Landwirtschafts-Simulationen und weitere Genres. Bei allen spielt Wetter aber eine Rolle. Es ist gut möglich, dass dieser Bereich für uns in Zukunft an Bedeutung gewinnen wird. 

Welche Veränderungen kommen in Zukunft sonst noch auf Ihre Branche zu – und was bedeuten diese für meteoblue? 
Erstens die fortschreitende Digitalisierung: dadurch sind Daten und Informationen heute viel leichter vermittelbar als früher. Unsere Daten werden also immer mehr genutzt – denken sie nur an all die Wetter-Apps. Zweitens die Optimierung der Wertschöpfungsketten: Wer Wetter-Effekte in seiner Dienstleistung berücksichtigt, hat die Nase vorn – das sehen wir in Bereichen Luftfahrt, Transport, Energie, Gebäude-Steuerung, Ernährung, Landwirtschaft und anderen. Darüber hinaus gibt es noch eine weitere Entwicklung, die unsere Arbeit in Zukunft prägen wird. 

«Wer heute ein Gebäude für 35°C Maximal-Temperatur baut, wird in 20 Jahren im Sommer darin nicht mehr arbeiten können – oder es für teures Geld nachrüsten müssen.»

Dr. Karl Gutbrod
CEO der meteoblue AG

Nämlich? 
Der Klimawandel. Dieser stellt viele Entscheidungsträger schon heute vor grosse Fragen. Wie bauen wir in Zukunft unsere Häuser? Wie müssen die Bewässerungssysteme und die Kulturen in der Landwirtschaft weiterentwickelt werden? Wie werden in Zukunft Bahnlinien oder Züge gebaut? Wer heute ein Gebäude für 35°C Maximal-Temperatur baut, wird in 20 Jahren im Sommer darin nicht mehr arbeiten können – oder es für teures Geld nachrüsten müssen. Wenn sich das Klima verändert, verändert sich auch die Gesellschaft. Bei diesen Entwicklungen sind Wetterdienstleister mit genauen Berechnungen gefragt.